Ziele der Krankenhausreform sind richtig – aber die vorgesehenen Maßnahmen verfehlen diese Ziele und gefährden die Versorgungssicherheit
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) unterstützt die zentralen politischen Ziele der geplanten Krankenhausreform, weist aber erneut darauf hin, dass die konkreten Reformbestandteile diese Ziele nicht erreichen und darüber hinaus zu unabsehbaren Verwerfungen und einer Gefährdung der Versorgungssicherheit für die Patientinnen und Patienten führen. Dazu erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß:
„Um mehr als ein Jahr hat Minister Lauterbach die so wichtige und nötige Krankenhausreform bereits durch seinen Konfrontationskurs mit den Ländern und den Krankenhäusern verschleppt. Mehr ambulante Behandlungsmöglichkeiten am Krankenhaus, mehr Spezialisierung bei komplexen Leistungen, gesicherte Patientenversorgung in der Fläche, auskömmliche und leistungsunabhängige Strukturfinanzierung sowie deutliche Entbürokratisierung wurden uns allen über Monate hinweg versprochen und wortreich angekündigt. Schon die Vorlage des Referentenentwurfs vor etlichen Wochen hat gezeigt, dass das Bundesgesundheitsministerium diese selbst gesteckten Ziele nicht erfüllt, was auch zu einer massiven Kritik der Bundesländer in deren Stellungnahme geführt hat. Aber auch die jüngste Verschiebung der Abstimmung im Kabinett hat der Gesundheitsminister nicht genutzt, um noch einmal wesentlich nachzubessern und das Gesetz praxistauglich zu machen. Nur inhaltlich marginale Änderungen hat das Ministerium vorgenommen und damit gezeigt, dass es berechtigte Kritik, ob von Länderseite, den Krankenkassen, den Kliniken oder den Kommunen und Landkreisen, schlicht und ergreifend ignoriert. Die Reform ist so versorgungsgefährdend, dass alle Bundesländer inklusive der SPD-geführten die Pläne des Parteikollegen in einer gemeinsamen Stellungnahme ablehnen.
Wir müssen konstatieren: Die von Karl Lauterbach immer wieder als Entökonomisierung angepriesene Vorhaltefinanzierung, hält nicht ansatzweise das, was der Gesundheitsminister versprochen hat. Vor allem kleineren Kliniken in der Fläche droht das Aus, weil sich deren Finanzierungsgrundlage nicht verbessert. Aber auch für Krankenhäuser mit Spezialaufgaben droht die Vorhaltefinanzierung zum Fiasko zu werden, weil zusätzliche Patientenbehandlungen, die sie aus kleineren Standorten übernehmen sollen deutlich schlechter vergütet werden als im heutigen Finanzierungssystem. Die DKG hat wiederholt auf diese drohenden Fehlentwicklungen hingewiesen und eine Auswirkungsanalyse dieser Finanzierungsreform eingefordert. Dazu hat das BMG bis zum heutigen Tag nichts geliefert. Es drängt sich der Verdacht auf, dass man selbst nicht an die versprochenen positiven Effekte glaubt, sonst hätte man diese anhand exemplarischer Beispielrechnungen vorlegen können. Im Blindflug in ein neues Finanzierungssystem zu starten, in dem sich dann rund 70 Milliarden Euro in veränderter Art und Weise auf die Krankenhäuser verteilen, ist ein unverantwortliches Vabanquespiel der Politik.
Auch die Umsetzung der neuen Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen entspricht nicht den Bund-Länder-Einigungen. Die Bundesländer sollen zwar verantwortlich für die Zuweisung von Leistungsgruppen auf die Standorte sein, dies würde der Bund aber faktisch durch neu festgelegte sogenannte Mindestfallzahlen und weitergehende Strukturvorgaben aushebeln. Standorten, die in einzelnen Jahren diese Mindestfallzahlen unterschreiten, streicht der Bund dann große Teile ihrer Finanzierung und stellt damit die Existenzfrage. Das wird gerade für Patientinnen und Patienten in dünn besiedelten Regionen zum Problem, da die Krankenhäuser diese Leistungsgruppen aufgrund der bevölkerungsbedingt niedrigeren Fallzahlen nicht mehr erbringen können. Auch bei diesem neben der Finanzierung zweiten großen Reformbestandteil gibt es keine Auswirkungsanalyse des Bundesgesundheitsministers. Wie viele Krankenhausstandorte werden diese neuen Voraussetzungen überhaupt noch erfüllen können? Wo drohen Versorgungslücken für die Patientinnen und Patienten? Auch hier soll nun das Parlament eine groß angelegte Krankenhausreform beschließen ohne zu wissen, was auf die Menschen in den Regionen zukommt. Verantwortungsvolle Politik und kalkulierbare Strukturanpassungen sehen anders aus.
Die Reform muss zu den Kompromissen zwischen Bund und Ländern zurückkehren, das Leistungsgruppenmodell nach NRW-Vorbild einführen und eine tatsächlich fallzahlunabhängige Strukturkostenfinanzierung einführen.
Auch das eigentliche Ziel der Entbürokratisierung verfehlt die Reform nicht nur, sie verschärft die Personalengpässe durch mehr Bürokratie und Überregulierung sogar noch. Wer beispielsweise die Hoffnung hatte, dass das neue Finanzierungssystem mit schlanken und transparenten Spielregeln umgesetzt wird, sieht sich massiv getäuscht. Der komplette schon bisher hohe Aufwand des Fallpauschalensystems bleibt erhalten und wird um seitenlange Paragraphen im Gesetzbuch zum Thema Vorhaltefinanzierung ergänzt. Das Nebeneinander zweier bürokratischer Finanzierungssysteme mit Fallpauschalen und Vorhaltefinanzierung verursacht einen immensen Mehraufwand, ohne dass sich daraus ein erkennbarer Nutzen für die Krankenhäuser und ihre Patienten ergibt.
Und nach wie vor soll die Reform im Blindflug durchgewunken werden. Von einer Auswirkungsanalyse will das Ministerium bis heute nichts wissen. Dabei wäre sie zwingend erforderlich, um der Bundesregierung, den Bundesländern aber auch allen Menschen die Folgen dieser fehlgeleiteten Reform aufzuzeigen: Es wird deutliche Versorgungseinschränkungen geben, Patientinnen und Patienten werden sich an Wartelisten gewöhnen müssen.
Auch die von den Bundesländern eingeforderte kurzfristig wirksame wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser nach der sprunghaft gestiegenen Inflation der vergangenen zwei Jahre verweigern Minister Lauterbach und Regierung weiterhin. Seit 2022 müssen die Krankenhäuser mehr ausgeben als sie einnehmen. Immer mehr Kliniken überleben diesen Spagat nicht. Die Zahl der Insolvenzen ist auf Rekordniveau. Über 50 Prozent der Kliniken planen aus finanziellen Gründen den Abbau wichtiger Versorgungsangebote. Dieser unkontrollierte kalte Strukturwandel der wirtschaftlich bedingten Krankenhausschließungen wird durch die nun vorgelegte Reform nicht gestoppt.
Man muss konstatieren, dass das Ministerium den propagierten Dreiklang aus Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Existenzsicherung mit diesem Entwurf vollständig verfehlt. Der Dreiklang besteht vielmehr aus wirtschaftlichen Fehlanreizen, Bürokratieaufwuchs und unkontrolliertem Kliniksterben.
Wir können nur hoffen, dass es den gewählten Abgeordneten und den Bundesländern gelingt, diese Reform an zentralen Stellen umzuschreiben. Wir brauchen bundesweite Rahmenbedingungen für die Krankenhausplanung, die dazu beitragen, dass komplexe Behandlungsleistungen stärker an Zentren konzentriert werden aber gleichzeitig auch die Krankenhausversorgung in der Fläche gesichert bleibt. Wir brauchen passende Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize, die dazu dienen, heute noch stationäre Leistungen zukünftig ambulant am Krankenhaus zu erbringen. Wir brauchen eine Finanzierungsreform die tatsächlich dazu führt, dass wesentliche Strukturen, wie zum Beispiel die Notfallversorgung, fallzahlunabhängig finanziert werden. Und wir brauchen eine konsequente Entbürokratisierung und Deregulierung, damit wir unsere wertvollen Fachkräfte in der Patientenversorgung statt am Schreibtisch einsetzen können. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten Verlässlichkeit von der Politik, gerade in einem so zentralen Bereich wie der sozialen Daseinsvorsorge. Die Gesundheitsversorgung ist keine Spielwiese für eine experimentelle Politik. Jetzt liegt die Verantwortung dafür beim Parlament und den Bundesländern.“
Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V.