Mehrheit der Psychiatrien rechnet mit Vergütungsausfällen und Folgen für die Patientenversorgung
Die ab 1. Januar 2026 wirksam werdenden Sanktionsregelungen der „Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie“ (PPP-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) werden nach Einschätzung der Krankenhäuser erhebliche Auswirkungen auf die psychiatrische und psychosomatische Versorgung haben. Das zeigt eine aktuelle Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).
„Die Ergebnisse sind besorgniserregend. Die Sanktionen treffen die Krankenhäuser nicht nur wirtschaftlich. Sie zwingen uns, Versorgungsangebote einzuschränken – mit direkten Folgen für die Patientinnen und Patienten. Das notwendige Personal ist schlicht auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden, oder die Kostenträger verweigern die Finanzierung der erforderlichen Personalstellen. Dieser Realität stellen sich weder die Krankenkassen noch der Gemeinsame Bundesausschuss noch das Bundesgesundheitsministerium, das die Richtlinie nun genehmigt hat. Wir bekennen uns eindeutig zu adäquaten und hochwertigen Personalvorgaben. Vor allem aber bekennen wir uns zu der Verantwortung, die Versorgung psychisch erkrankter Menschen jederzeit sicherzustellen. Wer jedoch an Sanktionen festhält, die an der Realität des Fachkräftemangels und der Finanzierungsbedingungen vorbeigehen, und Krankenhäuser zwingt, ihr Angebot zu reduzieren, muss auch den betroffenen Patientinnen und Patienten erklären, warum sie keine Behandlung mehr erhalten“, erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG.
Die PPP-RL schreibt verbindliche Mindestvorgaben für die Personalausstattung in stationären Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie, der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Psychosomatik fest. Ab dem kommenden Jahr werden Psychiatrien, die diese Mindestvorgaben nicht erfüllen, mit Erlöskürzungen belegt. Laut der Befragung rechnen 78 Prozent der psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland mit solchen Sanktionen. Fast ein Drittel erwartet jährliche Vergütungsausfälle von bis zu einem Prozent, während 43 Prozent mit Einbußen von mehr als einem bis zu drei Prozent rechnen. 22 Prozent der Kliniken gehen von Verlusten zwischen über drei und fünf Prozent aus, weitere sechs Prozent prognostizieren noch höhere Ausfälle. Angesichts dieser Größenordnungen drohen zahlreiche Krankenhäuser deshalb in die Defizitzone zu rutschen, da die erwirtschafteten Gesamtergebnisse psychiatrischer Krankenhäuser nur in wenigen Einzelfällen drei oder mehr Prozent vom Umsatzvolumen betragen.
Zur aktuellen Umsetzung der PPP-RL in den Budgetverhandlungen gaben zwei Drittel der befragten Einrichtungen an, dass es ihnen seit der Umstellung auf die Richtlinie im Jahr 2020 nicht gelungen sei, die tatsächlichen Personalkosten in ausreichender Höhe mit den Krankenkassen zu vereinbaren. Die Differenzen zwischen den vereinbarten und den tatsächlichen Personalkosten variieren stark und liegen in den betroffenen Einrichtungen – auch nach statistischer Bereinigung von Extremwerten – zwischen 11.000 und 3 Millionen Euro pro Jahr.
Die Krankenhäuser befürchten infolge der Sanktionen vor allem verschärfte Prüfungen durch den Medizinischen Dienst und zunehmend schwierige Budgetverhandlungen mit den Kostenträgern. Gleichzeitig erwarten sie spürbare Beeinträchtigungen in der Patientenversorgung. Genannt werden u.a. längere Wartelisten, Reduktion elektiver Aufnahmen sowie Sperrung von Betten und Plätzen. Auf regionaler Ebene könnte dies Therapieplätze verknappen und zu deutlich verlängerten Wartezeiten auf Behandlungen führen. Die Folge wären in vielen Fällen spätere Inanspruchnahme von Leistungen, Chronifizierung von Erkrankungen, vorzeitige Entlassungen und erhöhte Wiederaufnahmeraten.
Um den drohenden Auswirkungen entgegenzuwirken, planen die Kliniken für die kommenden zwölf Monate verschiedene Maßnahmen. Geplant sind insbesondere Ausnahmetatbeständen nach der PPP-RL verstärkt zu nutzen sowie Personal erweitert anzurechnen, das nicht unter die PPR-Systematik fällt. Darüber hinaus wollen die Einrichtungen ihre Personalpools ausbauen, das Patienten- und Belegungsmanagement anpassen und Wartelisten erweitern.
„Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich: Die PPP-RL-Sanktionen gefährden in Teilen die Versorgung psychisch erkrankter Menschen durch die Verknappung eigentlich verfügbarer Behandlungskapazitäten. Anstatt Krankenhäuser finanziell zu bestrafen, müssen Politik und Krankenkassen gemeinsam dafür sorgen, dass die Kliniken die notwendige Personalausstattung tatsächlich refinanziert bekommen und besetzen können“, so DKG-Vorstand Gaß.
Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V.