Entlastung für die Pflege: Weniger Bürokratie, mehr Prävention
Die Zahl der Auszubildenden in der Pflege ist laut Daten des Statistischen Bundesamts leicht um vier Prozent gestiegen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert weitere Reformschritte, um die Patientenversorgung auch langfristig sichern zu können. Dazu erklärt der Vorstandsvorsitzende der DKG Dr. Gerald Gaß:
„Das deutsche Gesundheitssystem wird trotz des aktuellen Anstiegs bei den Ausbildungszahlen seinen Bedarf an Pflegekräften ohne Veränderungen mittelfristig nicht mehr decken können. Demografischer Wandel, mehr ältere Patientinnen und Patienten und gleichzeitig immer mehr Pflegekräfte, die aus Altersgründen aus dem Beruf aussteigen als Nachwuchs neu einsteigt – das alles wird den Fachkräftemangel in der Pflege weiter verschärfen. Auch die Einwanderung von Fachkräften kann nur einer von vielen Ansätzen sein. Das Grundproblem wird sie aber nicht allein lösen.
Um die Pflegeproblematik zu lösen, benötigt es grundlegender Reformen. An erster Stelle muss die Entbürokratisierung stehen. Drei bis vier Stunden täglich müssen Pflegekräfte im Krankenhaus mit Büroarbeiten verbringen, oft Dokumentationspflichten, die medizinisch und pflegerisch nicht notwendig sind und teilweise doppelt gefordert werden. Das alles unter den Bedingungen der verschleppten Digitalisierung in Deutschland. Gelänge es, diese Bürokratiezeit für die Pflege im Krankenhaus zu halbieren, hätten wir die Arbeitskraft von rund 70.000 Vollzeitkräften in der Pflege mehr für die Patientenversorgung zur Verfügung und damit unser Fachkräfteproblem mit einem Schlag gelöst. Allerdings deuten alle Signale aus dem Bundesgesundheitsministerium darauf hin, dass sich die Bürokratielast in den Krankenhäusern mit der Krankenhausreform eher verstärken wird. Und anders als die meisten seiner Ministerkolleginnen und -kollegen hat Karl Lauterbach bisher keine substanziellen Vorschläge zur Bürokratiereduktion auf den Tisch gelegt. Der Minister scheint das immense Problem der Bürokratie, das die Beschäftigten frustriert und ihre wertvolle Arbeitszeit mit den Patientinnen und Patienten immer weiter zusammenschmelzen lässt, schlicht zu ignorieren.
Ein zweiter Punkt ist die grundlegende Umgestaltung unserer Gesundheitsversorgung auf ein präventionsorientiertes System. Kaum ein Land der Erde verfügt pro Einwohner über so viele Krankenpflegekräfte wie Deutschland, und dennoch sind es pro stationären Patienten verhältnismäßig wenige. Hier hilft ein Gesundheitssystem, das den Krankenhäusern mehr Möglichkeiten zur ambulanten Patientenversorgung eröffnet und natürlich eines, das Krankheiten und Krankenhausaufenthalte von vornherein vermeidet. Die Quote vermeidbarer Erkrankungen ist in Deutschland höher als in vielen anderen europäischen Ländern. Denn in Deutschland wird besonders ungesund gegessen, besonders viel Zucker konsumiert, besonders häufig das Auto statt der eigenen Füße oder des Fahrrads genutzt und besonders viel geraucht und Alkohol getrunken. Praktisch gesprochen: Wer den Pflegekräftemangel lösen will, muss die Raucherquote senken, den Zuckergehalt in Softdrinks reduzieren und Fahrradwege bauen. Wir müssen in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass die Menschen gesünder leben und alt werden.
Die grundlegenden Rahmenbedingungen für den Pflegeberuf sind durchaus attraktiv. Auszubildende in der Pflege erhalten heute bereits die höchsten Vergütungen aller Ausbildungsberufe, und ihre Gehälter nach dem Abschluss sind in den vergangenen Jahren stark überproportional gestiegen. Was bleibt ist der Teufelskreis aus zu viel Bürokratie und zu wenigen Kolleginnen und Kollegen auf den Stationen, die sich um zu viel Arbeit kümmern müssen, über zu viel Stressbelastung klagen und im schlimmsten Fall ihre Arbeitszeit reduzieren oder sogar ganz aus dem Beruf aussteigen. Aus dieser Spirale gilt es auszusteigen.“
Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V.