PPP-RL nach MD-QK-RL – Weiteres Bürokratiemonster oder Einstieg in einen Dialog – KGS

PPP-RL nach MD-QK-RL – Weiteres Bürokratiemonster oder Einstieg in einen Dialog

PPP-RL nach MD-QK-RL – Weiteres Bürokratiemonster oder Einstieg in einen Dialog

Ein Artikel von Isabell Naperkowski und Roberto Schimana

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Diese schöne neue (alte) Welt des Skeptizismus prägt den Klinikalltag in Deutschland zusehends und belastet gleichsam die Mitarbeiter*innen in deutschen Krankenhäusern. Psychisch erkrankte Menschen versorgende Krankenhäuser sind seit dem 01.01.2020 zur Einhaltung von Mindestpersonalvorgaben gemäß der PPP-RL, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) fortlaufend aktualisiert wird, verpflichtet. Mit dieser Verpflichtung geht eine quartalsweise Nachweisführung zur Personalausstattung gegenüber dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) einher, welche mit der Einhaltung konkreter Voraussetzungen verbunden ist.

Gemäß § 137 Abs.3 S. 1 SGB V regelt der G-BA in einer Richtlinie die Einzelheiten zu den Kontrollen des Medizinischen Dienstes (MD), welche auf konkrete Anhaltspunkte bezogen sind, die Einhaltung der Qualitätsanforderungen zum Gegenstand haben oder als Stichprobenprüfungen umgesetzt werden. Diese Richtlinie stellt die MD-QK-RL dar, welche Gegenstand der folgenden Befassung sein soll.

Neben den allgemeinen Abschnitten 1 – 4, umfasst der 5. Abschnitt im Besonderen Teil B der MD-QK-RL konkrete Regelungen zum Umgang mit der PPP-RL und diesbezüglichen Prüfvorgängen in psychisch erkrankte Menschen versorgenden Krankenhäusern im Hinblick auf die Einhaltung der Mindestpersonalvorgaben. Die Kontrolle erfolgt standort- und einrichtungsbezogen, wobei mit Einrichtungsbezug die Definition in die Leistungsbereiche Erwachsenenpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatik gemeint ist.   

Die sächsische Krankenhauslandschaft hat diverse Stichprobenprüfungen im ersten Prüfzeitraum der MD-QK-RL zum Abschnitt 5 als Stichprobenprüfung in verschiedenen Settings, sowohl voll- als auch teilstationär, erlebt. Auf der Landesebene erfolgte ein begleitender Erfahrungsaustausch der geprüften Einrichtungen unter Einbindung der Landeskrankenhausgesellschaft Sachsen.

Gemäß den Regelungen des Unterabschnitts 3 der §§ 56 – 60 MD-QK-RL hat der Medizinische Dienst die Nachweise bzw. Servicedokumente für die erforderlichen Kontrollen heranzuziehen und im Rahmen seiner Befugnis gemäß § 276 Abs. 4a SGB V ist er berechtigt, die zur Kontrolle erforderlicher Unterlagen einzusehen. Sofern die Patientendokumentation eingesehen werden soll, ist dies dem jeweiligen Standort unter Nennung von 4 zu kontrollierenden Stichtagen gemäß den 14-tägigen Eingruppierungsstichtagen im Vorfeld von Seiten des MD anzuzeigen. Die Zufallsstichprobe des MD umfasst dann wiederum 20 % der Behandlungsfälle, mindestens jedoch 20 je gezogenem Stichtag, wobei eine Obergrenze von 75 Behandlungsfällen als Kontrollumfang benannt werden (vgl. § 60 Abs. 5 S. 8 MD-QK-RL).

Fallbeispiel

Fachkrankenhaus für Psychiatrie/Psychotherapie sowie Psychosomatik und Neurologie mit insgesamt 160 Betten und 60 Tagesklinikplätzen, an insgesamt 4 Standorten

Eine unserer Tageskliniken war eine der ersten Einrichtungen im Freistaat Sachsen, die von der Krankenkasse über die bevorstehende Qualitätsprüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) aufgrund der Ziehung durch das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) informiert wurde. Da wir innerhalb unseres Netzwerks keine vergleichbaren Erfahrungswerte hatten, waren wir nur bedingt auf diese Herausforderung vorbereitet. Während anfangs die Hoffnung auf eine weniger umfassende Stichprobenprüfung bestand, wurde diese Erwartung nach etwa vier Wochen durch die offizielle Bestätigung des Medizinischen Dienstes auf eine Vollprüfung ersetzt. Dies leitete eine intensive Phase der Vorbereitung ein, deren Notwendigkeit besonders deutlich wurde, als wir nach weiteren vier Wochen den detaillierten, vierseitigen Anforderungskatalog erhielten.

Vorbereitung und organisatorische Herausforderungen

Die Vorbereitung auf die Prüfung stellte sich als weit anspruchsvoller heraus als ursprünglich erwartet. Der Umfang der geforderten Dokumentation und die spezifischen Anforderungen an deren Aufbereitung führten zu erheblichen organisatorischen Herausforderungen. Trotz des hohen Digitalisierungsgrades unseres Hauses und der Unterlagen erwies sich die konkrete Zusammenstellung und Bereitstellung der geforderten Informationen als alles andere als unkompliziert. Die Komplexität des Zusammenspiels von Personal-, Patient*innen-, Dokumentations- und Abrechnungssystemen erforderte eine umfangreiche und zeitintensive Koordination, die innerhalb von sieben Wochen realisiert werden musste. Das Zusammenfallen mit der Urlaubszeit verschärfte die Situation zusätzlich und erhöhte den Druck auf das gesamte Team erheblich.

Das interdisziplinäre Team, bestehend aus Medizincontrolling, Controlling, ärztlicher Leitung und Verwaltungsdirektion, war gezwungen, unter erheblichem Zeitdruck zu arbeiten, um die Anforderungen zu erfüllen. Die Prüfungsatmosphäre, die durch einen transparenten Abstimmungsprozess mit dem Medizinischen Dienst geprägt war, zeigte kollegiale und kooperative Ansätze, doch die Komplexität und der Umfang der Prüfung stellten eine erhebliche Belastung dar. Mehrere Standorte und standortübergreifende Einsätze der Berufsgruppen erschwerten die Situation zusätzlich. Dies offenbarte deutlich den signifikanten Verbesserungsbedarf der gegenwärtigen Prüfmethodik, um die Prozesse effizienter und weniger belastend für die Einrichtungen zu gestalten.

Erkenntnisgewinne und kritische Reflexion

Der flankierende Austausch auf Landesebene zeigte für Sachsen auf, dass der erste Prüfzyklus der Stichprobenprüfungen sowohl auf Seite des MD als auch auf Krankenhausseite mit diversen Unsicherheiten in der Vor-Ort-Prüfumsetzung verbunden war. Der MD-Begutachtungsleitfaden wurde um erste Regelungen für den benannten Abschnitt 5 mit Stand 03.04.2023 veröffentlicht. Innerhalb der Version 2023.1 waren jedoch im Wesentlichen die Inhalte der §§ 56 – 60 MD-QK-RL inhaltlich wiedergegeben. In Sachsen wurde im Vorfeld der MD-Prüfung eine Checkliste des MD Sachsen zur Verfügung gestellt. Diese umfasste 4 Abschnitte, wobei der erste Abschnitt den Feststellungsbescheid bzw. einen Auszug des Krankenhausplans in Kopie für die betreffende Klinik als erforderlich ausweist und der 2. Abschnitt die Gesamtbehandlungstage im fraglichen Quartal mittels Angabe der Klinik abfragt. Unterabschnitt 3 umfasst die Stichprobenpatientenakten, indem Angaben zu dem Behandlungsbereich und der Dokumentation (Einstufungsliste, Epikrise, Arzt-Pflege-Verlaufsdokumentation der Stichtagswoche) erfragt und letztlich in Abschnitt 4 die nach den PPP-RL-Berufsgruppen geordneten Personalstellen und deren Prüfung thematisiert werden. Für jede/n Mitarbeiter*in mussten Angaben zur im betreffenden Quartal geleisteten Arbeitszeit z. B. mittels Bescheinigung durch die Personalabteilung hinterlegt werden sowie die jeweils höchste Qualifikationsurkunde und eine Bestätigung der 5-jährigen Tätigkeit im zugeordneten Leistungsbereich mittels Bescheinigung durch die Klinik oder Arbeitsvertrag. Etwaige Abordnungen oder Ausnahmetatbestände waren zudem zu erklären.

Die Prüfung durch den Medizinischen Dienst führte zu Erkenntnissen auf beiden Seiten:

Für die Klinik:

Die Vorbereitung auf die Vollprüfung brachte einen übermäßigen organisatorischen und administrativen Aufwand mit sich. Die umfassende Dokumentation und die detaillierte Vorbereitung, die für die Prüfung erforderlich waren, beanspruchten erhebliche Personal- und Zeitressourcen. Diese Phase ermöglichte zwar eine Überprüfung und teilweise Verbesserung interner Abläufe, jedoch war der Hauptfokus auf der Bewältigung der umfangreichen Anforderungen und der Sicherstellung der Einhaltung der Richtlinien gerichtet. Der Prozess offenbarte Schwächen in der aktuellen Prüfmethodik, insbesondere bei standortübergreifenden Personaleinsätzen. Der erhebliche Aufwand, der die Kapazitäten der Klinik stark beanspruchte, war hierbei der zentrale Faktor. Bei einer erneuten Prüfung an anderen Standorten wären erneute Nachweise und gleichartige Aufstellungen von allen Unterlagen notwendig. Diese Erfahrung wirft die Frage auf, inwieweit die Prüfmethoden den klinischen Alltag und die Struktur der Einrichtungen adäquat berücksichtigen und ob der tatsächliche Nutzen der Prüfung für die Patient*innenversorgung in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand steht.

Für den Medizinischen Dienst:

Der Medizinische Dienst konnte durch die Prüfung Einblicke in die praktischen Herausforderungen und administrativen Belastungen der Kliniken gewinnen. Der intensive Austausch und die detaillierte Auseinandersetzung mit den Anforderungen halfen, ein tieferes Verständnis für die praktischen Schwierigkeiten zu entwickeln, mit denen Kliniken konfrontiert sind.

Diese Einblicke sind entscheidend für die Weiterentwicklung der Prüfmethoden und -kriterien, um sie besser an die Realitäten der klinischen Praxis anzupassen. Die aus der Vollprüfung gewonnenen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Prüfstandards zu optimieren und die Prüfprozesse praxisgerechter zu gestalten. Es besteht die Notwendigkeit, die Verfahren sowie den zugrundeliegenden MD-Begutachtungsleitfaden so zu reformieren, dass sie die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in den Kliniken besser widerspiegeln und gleichzeitig weniger belastend in der Prüfumsetzung sind. Eine solche Reform könnte auch zur Reduzierung der Bürokratie beitragen und die Effizienz der Prüfungen verbessern, was letztlich den Nutzen für die Patient*innenversorgung erhöhen würde.

Erkenntnisse auf Landesebene:

Die stichprobengeprüften Einrichtungen berichteten im Nachgang der MD-QK-RL-Prüfung vereinzelt aufgrund nachträglicher Änderungen innerhalb der PPP-RL-Patient*inneneinstufungen von veränderten (erhöhten) Personalmindestanforderungen, die mit einer anderen Behandlungsbereichszuordnung in Zusammenhang standen. Inwiefern kann eine Klinik diese nachträglich entstandenen Personalbedarfe in der Vergangenheit nachholen? Welche Konsequenzen gehen mit nachträglich veränderten Patient*inneneinstufungen und damit einhergehend veränderten Minutenwerten einher, wenn die PPP-RL-Sanktionen tatsächlich in dem Ausmaß kommen sollten, wie vielerorts befürchtet wird und welche Auswirkungen hat das auf die Versorgung? Diese und weitere Fragestellungen sind im Umgang mit der PPP-RL und den damit in Verbindung stehenden Prüfgeschehen zu klären und im politischen Diskurs adäquat zu berücksichtigen.

Der flankierende Austausch unter Einbindung der Landeskrankenhausgesellschaft hat sich als probates Mittel zum Informations- und Erfahrungsaustausch auf der Landesebene erwiesen. In Sachsen ist dieser eingebettet in eine Arbeitsgruppe „PPP-RL“, welche sich mit den PPP-RL-spezifischen Problemlagen u. a. in Richtlinienhandhabung, Nachweisführung und Budgetverhandlung auf PPP-RL-Basis befasst.

Bildquelle: Scott Graham/Unsplash

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