Jahresbericht 2021 des Dresdner Uniklinikums – Mit Strategie- und Systemwechsel das Gesundheitswesen stabilisieren
Jahresbericht 2021 – Erfolgreiches Krisenmanagement der Hochschulmedizin Dresden stärkt die eigene Resilienz. In der Pandemie ausgebaute Strukturen der regionalen Krankenhauslandschaft sind Vorbild für Strukturwandel. Auch 2021 wirken sich Coronavirus und Covid-19 auf das Betriebsergebnis des Universitätsklinikums aus.
Mit dem Titel „Systemwechsel“ zieht das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden in seinen Jahresbericht 2021 eine erste Bilanz nach zwei Jahren Corona-Pandemie. Das in dieser Zeit auf- und ausgebaute Krisenmanagement hat sich bewährt – nicht zuletzt dadurch, dass es auf Netzwerken und Kooperationen fußt, die in den meisten Fällen vor mehr als zehn Jahren etabliert und kontinuierlich weiterentwickelt worden sind. Dieses erfolgreiche und dennoch aufwändige Agieren in der Krise sowie die Learnings daraus dokumentiert und veranschaulicht der aktuelle Jahresbericht. Die Zahlen aus zwei Jahren Corona-Pandemie belegen den hohen Aufwand des Universitätsklinikums, die zumeist schwerst betroffenen Covid-19-Kranken adäquat zu versorgen. Allein von April 2020 bis März 2022 waren dies knapp 3.500 Personen. Am Scheitelpunkt der zweiten Coronawelle zu Anfang des Berichtsjahres versorgten knapp 200 hochqualifizierte Pflegekräfte diese Patientinnen und Patienten. Obwohl Bund und Freistaat auch 2021 Ausgleichszahlungen für den Mehraufwand geleistet haben, weist das Geschäftsjahr 2021 ein Betriebsergebnis vor investitionsbedingten Effekten in Höhe von –1,9 Millionen Euro aus. Das Gesamtergebnis beläuft sich im Berichtsjahr auf –9,9 Millionen Euro. Diese Information verbindet der Jahresbericht mit einer klaren Botschaft: Die mittlerweile eingetretene Verstetigung des pandemischen Geschehens und die deutlich gesunkene Hospitalisierungsrate dürfen nicht dazu führen, in alte Pfade und Strukturen zurückzukehren. Jetzt gilt es, einen Systemwechsel in der Krankenversorgung zu wagen. Ideen und Visionen dafür liefert der Bericht.
„Für das Uniklinikum ist es selbstverständlich, für die Region da zu sein. Die Pandemie hat erneut klar verdeutlicht, wie wichtig unsere Rolle als Supra-Maximalversorger ist, wobei in den beiden vergangenen Jahren die Steuer- und Unterstützungsfunktion, die das Uniklinikum übernommen hat, im Mittelpunkt standen“, sagt der Medizinische Vorstand Prof. Michael Albrecht. Um dies zu verdeutlichen, dokumentiert der Jahresbericht wesentliche Leistungen, welche die Hochschulmedizin Dresden in den zwei Jahren Pandemie erbracht hat. Dazu gehört das Konzept der COVID-19-Patienten-Bettenbelegung zur nachvollziehbaren Pandemiesteuerung im Freistaat, die Arbeit der Zentralen Krankenhausleitstelle des Clusters Dresden/Ostsachsen, Konzept, Evaluation und Betrieb des Dresdner Informations- und Prognosetools für Erkrankungsverlauf und Bettenauslastung in Sachsen, das SARS-CoV-2-Abwassermonitoring sowie die clusterinterne Logistik für die vom Freistaat Sachsen bereitgestellten Impfstoffe. Bei vielen dieser Aufgaben nahmen Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät eine Vorreiterrolle ein.
Investitionen in Neubauten und zusätzliche Großgeräte sind kein Extra
Ungeachtet dieser ad-hoc-Aktivitäten hat das Dresdner Uniklinikum bereits lange vor der Corona-Krise damit begonnen, sein Aufgabenprofil und seine Rolle tiefgreifend zu verändern. Dahinter steht die Überzeugung, dass dieser Wandel nicht nur die Krankenversorgung in der Region zukunftsfest macht, sondern gleichzeitig einen Beitrag dazu leistet, die eigene wirtschaftliche Basis langfristig zu stabilisieren. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass Uniklinikum und Medizinische Fakultät die Pandemie bisher leistungs- und finanzseitig gut überstanden haben. Doch trotz Betten-Freihaltepauschalen des Bundes sowie der Zuschläge des Freistaates Sachsen ist die Hochschulmedizin Dresden noch von ihren ursprünglich gesetzten Entwicklungszielen entfernt und hat das vorherige Niveau noch nicht wieder erreichen können. „Das jedoch relativiert nicht die Tatsache, dass sich das Universitätsklinikum in der Vergangenheit extrem solide aufgestellt hat. Jetzt gilt es, das Tal so schnell wie möglich zu durchschreiten. Nur so ist es möglich, trotz erschwerter Bedingungen weiter zu investieren und damit vorangehen zu können“, so Prof. Albrecht weiter.
Die in der Zukunft notwendigen Investitionen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: „Einmal sind wir mit einem Modernisierungsstau von derzeit rund 120 Millionen Euro konfrontiert. Großgeräte und vor allem die IT-Infrastruktur sind oft bereits nach drei bis fünf Jahren veraltet und müssten ausgetauscht werden“, sagt Frank Ohi, Kaufmännischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums: „Dies bedeutet einen jährlichen Investitionsbedarf von etwa 40 Millionen Euro. Zusätzlich benötigt gerade die Hochschulmedizin Dresden finanzielle Mittel, um neue Felder in der Krankenversorgung und Forschung erschließen zu können. Diese Investitionen in Neubauten und zusätzliche Großgeräte dürfen nicht als Extra gesehen werden, sondern haben denselben hohen Stellenwert wie die standardmäßige Ersatzbeschaffung.“ Angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds – der Ukraine-Krieg verstärkt mit dem enormen Anstieg der Energiepreise und der Materialknappheit die pandemiebedingten Belastungen – wird es in den kommenden Jahren noch schwieriger werden, die finanzielle Basis für diese notwendigen Investitionen abzusichern. „Die aktuelle Lage belastet uns doppelt: Die eigenen Kosten steigen und die öffentlichen Haushalte stehen vor der Herausforderung, dass diese erneute Krise die ohnehin schon angegriffene finanzielle Lage mittelfristig weiter beeinträchtigen wird“, erklärt Frank Ohi. „Deshalb befürchten wir, dass es für uns noch schwerer wird, mithilfe selbst erwirtschafteter Mittel in die Zukunft zu investieren.“
Mit Kooperationen und Netzwerken hochqualitative Versorgung sicherstellen
Ein weiterer im Jahresbericht des Dresdner Uniklinikums diskutierter Aspekt ist der vielerorts in der Region bestehende Mangel an ärztlichem und pflegerischem Personal. „Vor allem außerhalb der Ballungsgebiete wächst sich dieser Mangel zunehmend zu einer Versorgungskrise aus. Nicht zuletzt dadurch droht in weiten Teilen der Flächenländer ein Krankenhaussterben“, erklärt Prof. Albrecht: „Wir wollen in dieser Situation noch mehr als bisher einen wichtigen Beitrag dafür leisten, dass es auch in der Peripherie möglich ist, eine hochqualitative Grund- und Regelversorgung sicherzustellen. Dafür setzen wir gern unser Know-how und unsere Personalausstattung ein.“ Ohne eine komplett neu aufgesetzte Krankenhausplanung und eine daran orientierte Finanzierungsstruktur sei dies jedoch nicht umsetzbar. Es sei unzureichend, bei der an vielen Stellen bereits umgesetzten Telemedizin zu verharren: „Der nächste Schritt besteht darin, Fachpersonal institutionenübergreifend einzusetzen“, so der Medizinische Vorstand weiter. Entscheidend sei es zudem, analog zur Corona-Krise Kapazitäten und Aufgaben innerhalb der Regionen zu steuern. „Auch hier können die hochschulmedizinischen Standorte die Regionen mit ihrem Wissen und ihren Kapazitäten unterstützen. Ideale Basis sind organisch gewachsene, von Partnerschaftlichkeit und Vertrauen geprägte Netzwerke. Bei allen diesen Ansätzen ist es Aufgabe einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik, nicht in zunehmende Reglementierungen zu verfallen, sondern den neu zu schaffenden Handlungsrahmen so flexibel wie möglich zu gestalten“, sagt Prof. Albrecht.
Gute Verbündete sind in diesen Fragen auch die Krankenkassen, die in Sachsen eine führende Rolle spielen. Mit Rainer Striebel, dem Vorstandsvorsitzenden der AOK PLUS, kommt einer der wichtigsten Partner des Universitätsklinikums im aktuellen Jahresbericht zu Wort. In einem gemeinsamen Interview mit Prof. Michael Albrecht und Frank Ohi sagt er: „Wir haben es in Sachsen Anfang der 90er-Jahre geschafft, mit einer gemeinsamen und vorausschauenden Planung und Investitionsfinanzierung eine robuste Krankenhauslandschaft zu schaffen. Im Bundesvergleich gehören die sächsischen Krankenhäuser wirtschaftlich zu den Stärksten, doch die wirtschaftlichen, investiven, personellen und letztlich auch qualitativen Probleme machen sich mehr und mehr bemerkbar. Eine Reform der stationären Versorgung ist dringend notwendig. Und doch sollte das Gesundheitssystem als Ganzes in den Blick genommen werden.“
Konzept der Pufferkliniken als Antwort auf zunehmenden Personalmangel
Auch aus der Sicht des Dresdner Uniklinikums gilt es, Kapazitäten und Ressourcen jeder Art in der Region vernünftig zu verteilen und zu koordinieren, um der zunehmenden Personalnot in den Kliniken der Region wirksam entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang stellt die Etablierung von Pufferkliniken eine praktikable Lösung dar: Wenn einige kleinere Häuser dauerhaft aus dem Versorgungsnetz gelöst als Pufferkliniken fungieren und somit eine wirtschaftliche Perspektive erhalten, kann es gelingen, regional Personal- und Versorgungssicherheit zu schaffen. Zum einen lassen sich in diesen Kliniken alle Covid-19-Patientinnen und -Patienten versorgen, die keiner Intensivtherapie bedürfen. Zum anderen führt dieses Modell dazu, dass in den jeweiligen Regionen bestehende Betten-Überkapazitäten abgebaut werden. Weiterhin bekommen die übrigen Häuser die Chance eines kostendeckenden Normalbetriebs und eines umfassenden Versorgungsangebotes für die regulären Patientinnen und Patienten. Es ist wahrscheinlich, dass mit einer klaren Aufgabenteilung der finanzielle Aufwand für alle Krankenhäuser der Region insgesamt geringer ausfällt als die jetzt von Überkapazitäten geprägte Konstellation. „Damit dieses Modell gelingen kann, müssen alle Akteure in einer Region an einem Strang ziehen. Die für den Standort einer Pufferklinik infrage kommenden Krankenhäuser und ihre Träger sind dabei genauso wichtig, wie Politik, Kostenträger und die Mitarbeitenden vor Ort“, sagt Prof. Michael Albrecht. „Gelingt dieser Systemwechsel, bieten sich auch Lösungen für andere Herausforderungen im Gesundheitswesen an, zum Beispiel für saisonal bedingte Systembelastungen oder die Notwendigkeit zur Schaffung flexibel einsetzbarer Personalressourcen in der Region.“
Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden